Aufbau und Funktionsweise

IdentiFlight besteht aus der Kombination zweier Kameraeinheiten – acht fixe Weitwinkelkameras sowie eine bewegliche, hochauflösende Stereokamera – und wird derzeit auf einem Mast mit einer Höhe von bis zu 10 m für Offenlandstandorte, und ca. 40 m für Waldstandorte montiert. Derzeit erkennt und klassifiziert das System den Rotmilan und Schwarzmilan, den Seeadler, den Schreiadler, den Steinadler und den in Österreich vorkommenden Kaiseradler. Weitere Vogelarten werden in Kürze folgen.

 

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Funktionsweise

Für die Überwachung des Luftraums greifen die beiden Kameraeinheiten wie folgt ineinander: Die untere Einheit aus acht kreisförmig angeordneten Weitwinkelkameras überwacht permanent, im horizontalen 360° Umkreis, den gesamten Luftraum mit einer Reichweite von mind. 750 m für den Rotmilan und ca. 1200 m für den Seeadler. Falls aus technischen oder datenschutzrechtlichen Gründen erforderlich, können bestimmte Bereiche maskiert werden. Das bedeutet, diese Bereiche können zwar theoretisch von den Kameras erfasst werden, sind aber technisch „geschwärzt“ und werden nicht aufgenommen.

Die Weitwinkelkamera-Einheit dient dazu, Bewegungen im Luftraum zu detektieren und relevante Flugobjekte herauszufiltern. Dabei ist die Beobachtung von mehreren Objekten gleichzeitig möglich. Irrelevante Flugobjekte (z. B. Flugzeuge, Fahrzeuge, Rotorblätter, Fallschirmspringer oder kleine Vögel) werden von relevanten Flugobjekten (z. B. Exemplare der Zielart Rotmilan oder Seeadler) auf der Basis bestimmter Objekt-Parameter unterschieden.

Wird aufgrund dieser Objekt-Parameter auf die Detektion eines relevanten Flugobjekts geschlossen (z. B. Exemplar einer Zielart), so erfolgt eine Meldung an die zweite Kameraeinheit – die hochauflösende Stereokamera. Die Stereokamera richtet sich daraufhin auf das entsprechende Objekt aus und erfasst das Flugobjekt. Diese Daten werden im Anschluss zu einem Datenpunkt zusammengefasst, für den dann detailliert die Position, die Größe sowie die Flugroute und -geschwindigkeit des Objekts im dreidimensionalen Raum vorliegen.

Die Auflösung der Stereokamera ermöglicht dabei eine genauere Farb-, Form- und Bewegungsmustererkennung und damit eine Klassifizierung des detektierten Objekts hinsichtlich der programmierten Objektklassen (Zielart versus Nicht-Zielart). Wird das detektierte Objekt einer Zielart zugeordnet, erfasst die Stereokamera das Objekt weiterhin und bestimmt sowie dokumentiert dessen Flugroute. Wird das Objekt jedoch einer Nicht-Zielart zugeordnet (z. B. Vögel mit anderer Größe oder Farbe als die Zielart), ignoriert die Stereokamera dieses Objekt in weiterer Folge. Ebenso wie die Weitwinkelkamera-Einheit kann auch die Stereokamera mehrere Objekte gleichzeitig verfolgen, in dem sie – je nach programmierter Priorisierung – zwischen diesen hin und her schwenkt.
Eine Fernwartung bezüglich aller Funktionen beider Kameraeinheiten findet einmal pro Woche durch den Hersteller statt. Automatisch beheizbare Kameralinsen (z. B. bei Regen oder Schnee) gewährleisten zudem einen zuverlässigen, ganzjährigen Einsatz von IdentiFlight. Insgesamt ist der Betrieb eines IdentiFlight-Systems – der bisherigen Erfahrung nach – sehr wartungsarm.

Sichtfeld eines IDF-Systems. Quelle: Abbildung des Herstellers

Klassifizierung

Die Klassifizierung eines detektierten Flugobjekts basiert auf einem neuronalen Netz. Informationen der Stereokamera in Echtzeit – die hochaufgelösten Fotos sowie die Entfernungsinformationen – werden vom neuronalen Netz verwendet, um damit u. a. die Flügelhaltung, die Form sowie die Farbgebung des Flugobjekts zu bestimmen. Aus der Kombination dieser Merkmale erfolgt dann die Klassifizierung des Flugobjekts, verbunden mit einem zugehörigen Konfidenzwert. Dabei gibt der Konfidenzwert an, wie sicher sich das System mit der Klassifizierung ist.

Jede Sekunde wird aus einem der mit 10 Hz aufgenommenen Datenpunkte ein Konfidenzwert ermittelt und zusammen mit dem zugehörigen Foto der Stereokamera und weiteren Parametern, wie z.B. Koordinaten oder dem Abstand zur nächstgelegenen Windenergieanlage, abgespeichert.

Der Fokus von IdentiFlight bei der Verfolgung von Objekten liegt auf den Zielarten, was sich auch an der Dauer der Verfolgung eines Flugobjekts durch die Stereokamera zeigt. So ist die Track-Länge häufiger deutlich kürzer, wenn IdentiFlight eine Nicht-Zielart verfolgt, als wenn eine Zielart verfolgt wird.

Die Leistungsfähigkeit des der Klassifizierung zugrundeliegenden neuronalen Netzwerkes wird von der Datenlage, auf der es trainiert wurde, bestimmt. Sie kann bis zu einem gewissen Grad verbessert werden, wobei hier der Grundsatz gilt: je mehr Trainingsdaten, desto besser ist die Leistung des neuronalen Netzwerks.

Abschaltung

Zum Schutz der programmierten Zielart arbeitet IdentiFlight mit einem vektoriellen Abschaltalgorithmus („Time To Collision Method“), der auf zwei Abstandszylindern (äußerer und innerer Abstandszylinder) rund um die Windenergieanlagen beruht.

Jede Sekunde zeichnet IdentiFlight einen Datenpunkt auf, für den unter anderem die Position, die Flugrichtung sowie die -geschwindigkeit der detektierten Zielart (bspw. des Rotmilans) von IdentiFlight aus den Daten berechnet werden.

Solange sich die Zielart außerhalb des äußeren Abstandszylinders aufhält, werden keine Abschaltsignale ausgegeben. Befindet sich die Zielart allerdings innerhalb des äußeren Abstandszylinders, wird immer dann ein Abschaltsignal generiert, wenn sich der Vogel auf „Kollisionskurs“ zu einer Windenergieanlage befindet und die Zeit, die er bis zur Windenergieanlage benötigt (inklusive Puffer) gleich der Zeit ist, die die Windenergieanlage benötigt um in den Trudelbetrieb zu gehen. Das bedeutet, dass der Vektor seiner Flugroute, nach einer bestimmten Zeit t (benötigte Zeit der WEA, um den Rotor in Trudelbetrieb), bei gleichbleibender Flugrichtung und -geschwindigkeit den Rotorbereich der Windenergieanlage kreuzen würde.

Bei Eintritt in den inneren Abstandszylinder wird immer ein Abschaltsignal ausgegeben, unabhängig von der Flugrichtung und Fluggeschwindigkeit der Zielart. Befindet sich die Zielart danach für eine bestimmte Zeit wieder im äußeren Abstandszylinder und werden dabei keine Abschaltbedingungen mehr erfüllt (kein Kollisionskurs), so wird der Abschaltbefehl aufgehoben und die betreffende WEA geht nach dieser „Time to clear“ wieder in Betrieb.

Radius und Höhe der Abstandszylinder können variabel programmiert werden und hängen im Wesentlichen von den Dimensionen der Windenergieanlagen (Nabenhöhe und Rotorradius), der benötigten Zeit der WEA, um in den Trudelbetrieb zu gelangen sowie der Fluggeschwindigkeit der Zielart ab.

Grundlagen des bedarfsgesteuerten Abschaltalgorithmus von IdentiFlight im Rahmen dieser Studie

 

 

 

Erkennung

Acht Weitwinkelkameras überwachen permanent den Luftraum um das IdentiFlight-System. Tritt ein Vogel in diesen Bereich ein, wird die Bewegung durch die Weitwinkelkameras festgestellt und zwischen bedeutsamen und unbedeutsamen Flugbewegungen unterschieden. Bedeutsame Flugbewegungen werden an die Stereokamera weitergeleitet.

 

 

 

Klassifizierung

IdentiFlight bestimmt die Entfernung des Vogels mithilfe der Stereokamera und klassifiziert das jeweilige Individuum basierend auf einem neuronalen Netzwerk. Die Daten werden nachfolgend in einer lokalen Datenbank gespeichert und von der sog. Basestation weiter verarbeitet.

Diese ersten beiden Schritte erfolgen in Millisekunden.

 

 

 

Datenlieferung

Die Basestation sendet die Daten zur Analyse an eine grafische Benutzeroberfläche vor Ort, das Abschaltmodul und zur Echtzeit-Betriebs- und Datenanalyse an das IdentiFlight Dashboard.

 

 

 

Fluganalyse

IdentiFlight analysiert die Vogelflugbahnen in Bezug auf Windenergieanlagen und bestimmt, ob eine Abschaltung eingeleitet werden soll. Diese Entscheidung kann über die Nähe des Vogels zu der Windenergieanlage oder basierend auf einer Vektoranalyse der Flugbahn (Geschwindigkeit und Flugrichtung des Vogels) getroffen werden.

 

 

 

Abschaltung

Wenn IdentiFlight feststellt, dass ein Vogel potenziell in Gefahr ist, sendet es über das SCADA-Netzwerk des Windparks einen Abschaltbefehl an die jeweilige Windenergieanlage.

Datenschutz

Der Einsatz von IdentiFlight wurde durch die TÜV Informationstechnik GmbH für verschiedene Standorte als zulässig eingestuft. Da durch das System vor allem der Luftraum beobachtet wird, ist eine Aufnahme von Personen sehr unwahrscheinlich. Außerdem wird IdentiFlight im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Windkraftanlage sowie zum Schutz des Tierwohls von Großvögeln eingesetzt, was das berechtigte Interesse des Einsatzes des Systems laut Datenschutz-Grundverordnung gewährleistet. Für jeden Standort, an dem IdentiFlight eingesetzt werden soll, kann ein Datenschutzkonzept (z. B. durch den TÜV) erstellt werden, auf dessen Basis zusätzliche Maskierungen vorgenommen werden können, falls diese als notwendig eingeschätzt werden. Dabei werden Bereiche wie z. B. Fußwege oder Straßen für die Kameras ausgeblendet und es können keine Aufnahmen dieser Bereiche erstellt werden.

Aufbau und Inbetriebnahme

Der Aufbau eines IdentiFlight-Systems erfolgt durch die e3 IDF GmbH oder Subunternehmer in Kooperation mit der erneuerbaren energien europa e3 GmbH & IdentiFlight International LLC., wobei durch mögliche Auftraggeber folgende Voraussetzungen am geplanten IdentiFlight Standort erfüllt sein müssen:

  • Zivilrechtliche Sicherung des Standorts
  • Anlegen einer Zuwegung zum Standort
  • Anlegen einer Stellfläche zum Aufbau von IdentiFlight
  • Ausheben der Fundamentgrube
  • Bereitstellen eines Stromanschlusses
  • Sicherstellen einer Internetverbindung mit mindestens 10 Mbit Up- & Download Rate

Das IdentiFlight-System wird speziell auf die Anforderungen am Standort programmiert, womit eine Verwendung von IdentiFlight an einem anderen Standort ohne Unterstützung durch die e3 IDF GmbH nicht möglich ist.